Pflege von Orchideen Standorten bei Büttelborn


Die Biotope, an denen sich wildwachsende  Orchideen angesiedelt haben, haben vielfach eines gemeinsam: es sind meist kleinräumige, nährstoffarme, zu nasse oder zu trockene Standorte, die in der Regel zur land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung nicht geeignet sind.

 

In einer stark landwirtschaftlich geprägten Kulturlandschaft wie dem hessischen Ried, sind solche Standorte zwar nicht sehr häufig zu finden, aber es gibt sie zum Glück noch vereinzelt. Sie mit ihren Bewohnern und Pflanzen (wie z. B. die bei uns vorkommende Orchideenarten) zu schützen und zu bewahren, gehört auch zu den Aufgaben des NABU Büttelborn.

 

Solch spezifische Standorte können nur durch gut angepasste Pflanzen besiedelt werden – und die Orchideen gehören ebenfalls dazu. Eine zeitweise Beweidung durch wandernde Schafe begünstigt ihr Wachstum an solchen Standorten.

 

Wo dies fehlt, sollte der Mensch eingreifen, um eine Verbuschung oder die Vermehrung konkurrenzstarker Gewächse (z. B. Gräser) zu verhindern. Auch ungewöhnliche Standorte wie z. B.: Straßenränder werden manchmal besiedelt.

 

Wichtig sind vor allem die örtlichen Bodenverhältnisse – Orchideen bevorzugen einen eher basischen Boden mit unterschiedlichen Kalkanteilen sowie die Existenz von Bodenpilzen. Treffen alle diese Faktoren für einen Standort zu, können Orchideen dort auch gut gedeihen. Auf Störungen reagieren diese sensiblen Bereiche allerdings vielfach mit einem dramatischen Rückgang der vorhandenen Arten.

 

Alle in Europa vorkommenden Orchideenarten in freier Natur stehen unter strengem Schutz. Dies und die besonderen Ansprüche dieser Pflanzen an ihren Lebensraum, sollten für uns alle rund um Büttelborn Anlass für ein rücksichtsvolles und nachhaltiges Verhalten sein. 

 

Breitblättrige Stendelwurz (Foto: naturgucker.de [H.Schwarting])
Breitblättrige Stendelwurz (Foto: naturgucker.de [H.Schwarting])

Der NABU Büttelborn hat 2021 die Federführung zur Pflege eines bedeutenden Orchideen- Standortes in der Gemarkung Büttelborn übernommen.

 

Dieses Biotop – eines der bedeutendsten Vorkommen in Südhessen - ist jedoch nicht natürlichen Ursprungs, sondern wurde vor vielen Jahren von Menschenhand im Rahmen einer Abgrabung geschaffen (Sekundärbiotop). Schon in den 1980er Jahren hat der NABU Büttelborn verhindert, dass die wertvollen Flächen überbaut werden. 

 

Das Biotop, wie es sich heute darstellt, besteht aus zwei verschiedenen Geländetypen: einem kleinen Feuchtgebiet mit Teich sowie einem etwas höher gelegenen trockenen und lichten Waldgebiet mit einigen offenen Flächen. Dort kommen insgesamt 14 verschiedenen Orchideenarten aus sieben Gattungen vor. Im dem kleinen Feuchtgebiet kommen häufig die Sumpf-Stendelwurz (Epipactis palustris) und im trockenen Waldgebiet die Breitblättrige Stendelwurz (Epipactis helleborine) vor.

Helm-Knabenkraut (Foto: naturgucker.de [H.Schwarting])
Helm-Knabenkraut (Foto: naturgucker.de [H.Schwarting])

In kleineren Populationen gibt es die Fleischfarbene Fingerwurz (Dactylorhiza incarnata), das Helm-Knabenkraut (Orchis militaris), das Rote Waldvögelein (Cephalanthera rubra), das Schwertblättrige Waldvögelein (Cephalanthera longifolia), das Großes Zweiblatt (Neottia ovata), die Rotbraune Stendelwurz (Epipactis atrorubens), die Bienen-Ragwurz (Ophrys apifera), die Bocks-Riemenzunge (Himantoglossum hircinum), das Kriechendes Netzblatt (Goodyera repens), die Fuchs´ Fingerwurz (Dactilorhiza fuchsii), sowie die Pyramiden-Spitzorchis (Anacamptis pyramidalis).

 

Da einige der Arten erst kürzlich in dem Areal nachgewiesen wurden und bislang nur mit Einzelpflanzen vorkommen, bleibt es abzuwarten, ob diese Pflanzenarten sich hier dauerhaft etablieren werden, oder nur ein kurzes Gastspiel geben.

Einer der Gründe weshalb sich die Orchideen in diesem Gebiet so prächtig entwickeln konnten, sind die arbeitsintensiven Pflegemaßnahmen durch Naturschützer. So wurde z.B. in den 1990er Jahren das Gelände durchforstet und ausgelichtet. Danach wurden jährlich kleinere Stellen gemäht und immer wieder entbuscht. Neben der jährlichen Mahd mit Beseitigung des anfallenden Schnittgutes, ist das stetige Zurückdrängen des Schilfes im Feuchtbereich die wichtigste Arbeit, um die Standorte der Orchideen zu erhalten und eine Verlandung des Teiches mit seinen zahlreichen Amphibienarten zu verhindern.

 

Ein echter Glücksfall ist die Lage dieses Biotops. Da es ziemlich abgeschieden und weitab von landwirtschaftlich intensiv genutzter Felder liegt, wird die sonst übliche Einschwemmung von Nitraten weitgehend verhindert. Auch ist die durch den umgebenden Wald vor klimatischen extremen Einflüssen geschützte Lage für die dortigen Orchideen sehr vorteilhaft.

 

Da aufgrund der Pflegemaßnahmen der Bestand der Breitblättrigen Stendelwurz und anderer Orchideenarten über die Jahre stark zugenommen hat, wurde die eingezäunte Fläche deutlich vergrößert, um den starken Verbiss durch Rehwild zu verhindern.

Foto: NABU Büttelborn [jr]
Foto: NABU Büttelborn [jr]
Foto: NABU Büttelborn [jr]
Foto: NABU Büttelborn [jr]

Ganz verhindern lässt sich das Eindringen von Wildtieren (problematisch sind insb. Wildschweine) jedoch nicht - wie die Aufnahmen  der automatischen Wildtierkamera zeigen.


Rotes Waldvöglein (Foto: naturgucker.de [A. Wirth])
Rotes Waldvöglein (Foto: naturgucker.de [A. Wirth])

Grundsätzlich zeigt sich die Richtigkeit von Pflegemaßnahmen als ein Prozess, der durch ständiges Beobachten des Erfolges (oder Misserfolges) gesteuert werden muss.

 

So hat sich z.B. gezeigt, dass sich der erhöhte Lichteinfall (verursacht durch Windwurf) auf verschiedenen Flächen für die dort siedelnde Breitblättrige Stendelwurz nachteilig auswirkt. Also muss bei der Pflege darauf geachtet werden, dass auf diesen Flächen wieder ein „lichter Schatten“ entstehen kann. Ob die vollständige Entfernung des Herbstlaubes, wie wir sie bisher durchführen, von Vor- bzw. Nachteil ist, soll nun dadurch getestet werden, dass auf markierten Stellen das Laub belassen wird, damit die Humusbildung sowie die damit einhergehende Bildung von im Boden lebenden Pilzen gefördert wird. Grundsätzlich setzt eine zielgerichtete Pflegemaßnahme ein Denken in Zusammenhängen und über weite Zeitstrecken voraus. 

Pyramiden Spitzorchis (Foto: naturgucker.e [H.Strunk])
Pyramiden Spitzorchis (Foto: naturgucker.e [H.Strunk])

Eine allgemein „einzig richtige Pflege“ gibt es wohl nicht. In der Natur sind die Dinge immer im Fluss und werden von einer natürlichen Dynamik vorgegeben. Bei dieser immerwährenden Veränderung unserer Biotope können die Pflegemaßnahmen immer nur den jeweiligen Erfordernissen entsprechend angepasst werden, um annähernd optimale Voraussetzungen für das Gedeihen der jeweiligen dort siedelnden Orchideenart zu schaffen.

 

Allerdings zeigt die stetige Zunahme der Zahl der Orchideenarten und die deutliche Vergrößerung der Vorkommen auf z.T. mehrere tausend Exemplare, dass sich unsere Mühen der letzten Jahre sehr gelohnt haben. [jr 12/21]


Pflegeeinsatz Herbst 2021

Graphik: NABU Büttelborn [hä]
Graphik: NABU Büttelborn [hä]

 

Kleiner Knigge für Orchideenstandorte:

 

Bitte pflücken Sie keine Pflanze, die Sie nicht kennen - es könnte ja vielleicht eine Orchidee sein.

 

Bitte entnehmen Sie auch auf keinen Fall solche Pflanzen der freien Natur, um sie bei sich im Garten anzusiedeln. Dies wird ohnehin nicht gelingen, da Orchideen auf sehr spezielle Bedingungen angewiesen sind, die in Gärten meist nicht vorhanden sind.

 

Bitte betreten Sie - auch wenn mitunter die Versuchung groß sein mag - solche Standorte nicht, um nicht kleine Exemplare zu übersehen und versehentlich zu zertreten.

 

Freuen Sie sich stattdessen lieber einfach daran, dass es bei uns diese wunderbaren Blumen (die übrigens das größte Spektrum unterschiedlicher Blütenformen und Farben aller Pflanzenfamilien haben), noch vereinzelt gibt und unterstützen Sie uns bei unseren Bemühungen, diesen Bestand zu pflegen und zu schützen. (03.19 [or])

 

Fotos: NABU Büttelborn [OR]


Wildwachsende Orchideen rund um Büttelborn


Bienen-Ragwurz (Ophrys apifera)

Foto: NABU Büttelborn (ck)
Foto: NABU Büttelborn (ck)

Kann eine so ungewöhnliche und sehr seltene Orchidee, die auch 1995 vom Arbeitskreis Heimische Orchideen zur Orchidee des Jahres gewählt wurde, eine üble Trickbetrügerin sein?

 

Ja, kann sie.

 

Denn sie lockt durch ihre Nachahmung des Bienen-Körpers auf der Unterlippe der Blüte verschiedene Wildbienenarten an, ohne ihnen je eine Belohnung für den Bestäubungsversuch zukommen zu lassen.

So werden z.B. die Männchen der Hornbiene auf der Suche nach einem paarungsbereiten Weibchen dazu verleitet, sich auf der Bienen-Ragwurz niederzulassen und die Unterlippe der Blüte zu „begatten“. Dabei wird ihnen ein Pollenpaket (Botaniker nennen das „Pollinien“) auf den Rücken geklebt, dass das verführte Männchen danach im günstigsten Falle zur nächsten Ragwurzblüte transportiert und somit für eine Fremdbestäubung sorgt.

 

Meist findet jedoch eine Selbstbestäubung statt – die hübsche Orchidee will sich offenbar nicht allzu sehr auf diesen Trick verlassen. Selbstbestäubung ist bei Orchideen eher selten, denn meist beruht die Fortpflanzung auf Fremdbestäubung.

 

Auch bei uns rund um Büttelborn ist diese Art extrem gefährdet – sie kommt nur noch sehr vereinzelt in Halbtrockenrasen oder lichten Trockenwälder mit kalkreichem und lockerem Boden vor. Vielfach wird sie durch überdüngte Böden binnen kürzester Zeit durch Konkurrenten mit rascherem und höherem Wachstum verdrängt.

 

Die Anzahl blühender Pflanzen schwankt von Jahr zu Jahr beträchtlich, denn sie leidet sehr stark unter einer trockenen Witterung während des Winters und Frühlings. Zudem ist die Bienen-Ragwurz leider nicht sehr langlebig. Vielfach blüht sie nur wenige Male und verschwinden dann wieder oder benötigt mehrere Jahre bis sie erneut blüht. (ck 06/20)

Foto: NABU Büttelborn (or)
Foto: NABU Büttelborn (or)
Foto: NABU Büttelborn (or)
Foto: NABU Büttelborn (or)
Foto: NABU Büttelborn (or)
Foto: NABU Büttelborn (or)

Foto: NABU Büttelborn (or)
Foto: NABU Büttelborn (or)

Schwertblättriges Waldvöglein (Cephalantera longifolia)

"Waldvöglein": ein ungewöhnlicher Name für eine schöne, reinweiße Orchidee, die bei uns rund um Büttelborn noch vereinzelt zu finden ist.

 

Sie kommt auf kalkhaltigen, lockeren und humusreichen Boden in sommerwarmen und geschützten Lagen mit Büschen und Bäumen vor, gedeiht jedoch auch auf Standorten mit Trockenrasen.

 

Ihre Wuchsform variiert stark und ist vom anstehenden Boden, der Lichtmenge oder der örtlich vorherrschenden Beschattung abhängig.

 

Mitte Mai öffnet die bis zu 60cm hohe Pflanze ihre bis zu 27 leicht geöffneten Blüten, bildet jedoch im Oktober leider nur sehr wenige Samen. (03.2019 [OR])

Foto: NABU Büttelborn (OR)

Fotos: NABU Büttelborn (OR)


Bocksriemenzunge (Himantoglosum hircinium)

Wildbienen stören sich offenbar an dem eher gewöhnungsbedürftigen Geruch dieser markanten heimischen Orchidee nicht allzu sehr – sie riecht, oder soll man sagen stinkt stark nach Ziegenbock. Sie, die Wildbienen nämlich, sind es, die diese bis zu einem Meter hohe Orchidee bestäuben.

 

Eindrucksvoll ist jedenfalls ihre Blüte, die ab Mai bis zu 120 Einzelblüten hat. Ihre Laubblätter welken schon vor der Blüte, treiben jedoch im Herbst bereits wieder aus und überdauern den Winter. Langlebigkeit ist indes keine der herausragenden Eigenschaften der Bocksriemenzunge, ist sie doch nach wenigen Jahren bereits erschöpft und geht dann ein.

 

Sie liebt kalkreichen, lockeren Boden auf Magerrasen, in Gebüschen oder stickstoffarmen, extensiv bewirtschafteten Wiesen und fühlt sich in unserem relativ warmen südhessischen Klima mit vergleichsweise seltenen Spätfrösten wohl. Die Bocksriemenzunge war die „Orchidee des Jahres 1999“. (03.2019 [OR])

Fotos: NABU Büttelborn (OR)


Sumpfstendelwurz (Epipactis palustris)

Diese hübsche Orchidee ist in Mitteleuropa noch verbreitet und wächst auf Sumpfwiesen, in Flachmooren oder auf Waldlichtungen auf kalkhaltigem, sickerfeuchten

Boden.

 

Sie ist lichtliebend und auf eine niedrige Vegetation oder eine regelmäßige Mahd angewiesen. Aus den bis zu 50 cm langen Blütenstielen entsprießen Ende Juni bis zu 20 Blüten.

 

Die Vermehrung erfolgt über einen ausläufertreibenden Wurzelstock sowie durch Samen. Die Sumpfstendelwurz war die „Orchidee des Jahres 1998“ (03.2019 [OR])

Fotos: NABU Büttelborn (OR)


Kriechendes Netzblatt (Goodyera repens)

Foto: naturgucker.de [H. Schwarting]
Foto: naturgucker.de [H. Schwarting]

Das Kriechende Netzblatt (Goodyera repens), das früher in den Kalksand-Kiefernwäldern unserer Region noch häufig vertreten war, ist hier heute fast überall komplett verschwunden. Die Orchidee wird in der Roten Liste für unsere Region als „sehr stark gefährdet“ geführt und ist zur „Orchidee des Jahres 2021“ gewählt worden.

 

Die Pflanze besitzt ein in der Moosschicht kriechendes, fleischiges Rhizom, an dessen Enden sich Blattrosetten mit 5-8 dunkelgrünen, bis 35 mm lang-zugespitzten, eiförmigen Blätter entwickeln. Unter günstigen Bedingungen können kleine Polster von Rosetten entstehen. Die Blätter können heller gezeichnet sein, so dass auf ihnen eine Art Netzmuster entsteht. Die Intensität dieser Zeichnung ist sehr unterschiedlich, aber der deutsche Name leitet sich von diesem Muster ab. In der Mitte kräftiger Rosetten entwickelt sich ein bis 22 cm hoher Blütenstängel, der stark behaart ist.

 

Der ca. 10 cm hohe Blütenstand mit zahlreichen kleinen, weißen Blüten produziert reichlich Nektar. Die Hauptblütezeit ist Mitte Juli. Die kleinen Blüten entwickeln sofort einen eigenartig großen Fruchtkörper, der auch sehr schnell bis Ende August reife Samen aufweist. Die Pflanze assimiliert das ganze Jahr über und ist daher gerade im Winter gut zu finden.

Foto: NABU Büttelborn [jr]
Foto: NABU Büttelborn [jr]

Das Netzblatt siedelt vorwiegend an lichten, schattigen Stellen in Kiefernwäldern mit Moospolstern. Die Pflanze ist sehr konkurrenzschwach und kann z.B. durch hohen Stickstoffeintrag und konkurrenzstärkere Pflanzen schon nach kurzer Zeit überwuchert werden.

 

Diese kleine Orchidee wurde 2016 bereits das erste Mal am Büttelborner Standort nachgewiesen, jedoch wurden die sechs Rosetten mit drei Blütentrieben leider noch im Knospenstand durch Wildverbiss zerstört.

 

2019 tauchte jedoch erneut ein Exemplar neben einer umgestürzten Kiefer auf und wurde gleich mit entsprechenden Schutzmaßnahmen gegen Wildverbiss gesichert. Diese „Minipopulation“ gilt es nun auch weiter zu schützen.

 

Es wäre wunderbar, wenn diese kleine Orchidee hier nicht nur ein Gastspiel geben würde, sondern sich auf Dauer in unserem Biotop bei Büttelborn etablieren könnte. [jr 12/21]


Reihe wird fortgesetzt...