Naturschutzarbeit mit unmittelbarer Wirkung

Kiebitzschutz in Wallerstädten

Johannes Kilian erklärt (Foto: NABU Büttelborn [ch])
Johannes Kilian erklärt (Foto: NABU Büttelborn [ch])

Die Jugendgruppe des NABU-Büttelborn machte im Mai 2022 eine Exkursion in die Nachbargemeinde Wallerstädten. Dort konnten wir die Wirkung von Naturschutzmaßnahmen wunderschön in Form von Kiebitzen mit ihren Jungtieren beobachten.

 

Freundlich empfangen wurden wir von den Wallerstädter Vogelschützern Barbara und Johannes Kilian, die sich mit Herzblut über das Jahr für die Kiebitze engagieren. Johannes koordiniert als Kreisbeauftragter für Vogelschutz der Staatlichen Vogelschutzwarte die Erfassungen und Schutzmaßnahmen der Kiebitz-Schützer im Landkreis Groß-Gerau. 

 

Hier brüten aktuell ca. 60-70 Brutpaare, davon rund die Hälfte in Wallerstädten. In ganz Hessen ist die Tendenz der Brutpaare fallend, aktuell sind es ca. 300 Brutpaare, wobei der Landkreis Kreis Groß-Gerau und die Wetterau die wichtigsten Brutgebiete für die hessischen Kiebitze sind. Während einer kurzen Einführung zeigten die Kiebitze ihr luftakrobatisches Können. Ein schönes Kiebitz-Präparat unterstütze Johannes bei der Beschreibung des Kiebitzverhaltens. 

Foto: naturgucker.de [D. Seibel]
Foto: naturgucker.de [D. Seibel]

Die Kiebitze kommen schon im Februar von ihrem Zug aus Südfrankreich ins Hessische Ried zurück, um dann bevorzugt an schon bekannten Brutplätzen ihre Gelege zu platzieren.

 

Kiebitze sind diesbezüglich sehr treu, so dass es vorkommt, dass die Bodennester, die immer aus vier Eiern bestehen, unweit des vorjährigen Nestes angelegt werden.

 

Die Nester werden im hessischen Ried oft auf umgebrochenen, unbewachsenen dunklen Äckern angelegt. 

 

Foto: naturgucker.de [J. Podgorski]
Foto: naturgucker.de [J. Podgorski]

Nach dem Schlupf verlassen die Küken direkt das Nest und werden von den Eltern zu Nahrungsplätzen geführt. Als Nestflüchter nehmen sie diese selbstständig auf. Ihre Nahrung besteht überwiegend aus Insekten, deren Larven und Würmern. Da sich immer sehr viele Insekten am und im Wasser aufhalten, sind Kiebitze am liebsten an und in Feuchtwiesen oder Äckern mit niedriger Vegetation. Diese gibt es leider immer weniger, weshalb der Kiebitzbestand in Deutschland in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen ist. Der Bestandstrend liegt derzeit bei minus 93%.

Foto: naturgucker.de [R.Tichai]
Foto: naturgucker.de [R.Tichai]

Wie funktioniert der Kiebitzschutz denn nun in Wallerstädten?

 

Als Bodenbrüter sind die Kiebitze, ihre Eier und später auch die Jungvögel von vielen Gefahren umgeben. Prädatoren (Fressfeinde/ Räuber) freuen sich über leicht zugängliche Nahrung am Boden. Füchse sind in Wallerstädten als die Nummer eins zu nennen, gefolgt von anderen Bodenfeinden sowie Vögeln, die aus der Luft angreifen (z. B. Rohrweihen und Krähen). Die Füchse konnten in Wallerstädten von den Gelegen durch die Errichtung von Elektrozäunen aus den Brutflächen ausgesperrt werden, so dass der Bruterfolg in diesen Flächen deutlich angestiegen ist. Auf Brutflächen ohne Schutz, ist der Bruterfolg sehr, sehr gering. Selbst bei entsprechenden Absprachen zur Bewirtschaftung mit den Landwirten erhöht sich der Bruterfolg häufig nur geringfügig.

 

Auch wenn die Wallerstädter Küken schlüpfen und einen guten Start ins Leben haben, gilt es noch weitere Gefahren z.B. die des Vogelzugs zu überstehen (u. a. möglicher Abschuss in den französischen Überwinterungsquartieren mit dem Ende auf einem Teller). 

Foto: NABU Büttelborn [ch]
Foto: NABU Büttelborn [ch]

Bei frühzeitigem Verlust eines Geleges wird meist ein weiteres angelegt, wofür wieder eine dunkle, umgebrochene, unbewachsene Fläche benötigt wird. Auch diese weitere Fläche wird hierfür in Wallerstädten Jahr für Jahr hergerichtet, da es vor Ort eine sehr vorbildliche und wertschätzende Zusammenarbeit mit den Landwirten gibt.

 

Außerdem konnte vom NABU eine Fläche erworben werden, die mit einer Wasserfläche versehen wurde und diese durch eine Solarpumpe mit Wasser feucht gehalten wird. Auch weitere bodenbrütende Vögel wie Grauammer, Rebhühner oder Feldlerchen nutzen diese eingezäunten Schonräume für ihr Jungenaufzucht.

 

Der Natur- und Vogelschutzverein Wallerstädten kümmert sich um die Errichtung der Zäune, deren Kontrolle (eine Nacht ohne Strom auf dem Elektrozaun kann schon den Verlust aller Gelege bzw. Jungtiere bedeuten), den Kontakt mit den Landwirten, das Zählen und Dokumentieren der 25 Brutpaare (die letzten Jahre zwischen 30-35 Brutpaare), Nester und Jungvögel, sowie das Beobachten und Freuen über das Heranwachsen der Jungvögel und die erfolgreiche Naturschutzarbeit.

 

Während Johannes und Barbara von ihren Aktivitäten berichteten, durften wir über ihr hochauflösendes Spektiv immer wieder Jungvögel, Altvögel und brütende Exemplare betrachten. Dabei war gut zu erkennen, dass Kiebitze Meister der Tarnung sind. Eben noch hat man den Vogel direkt im Visier, erscheint er im nächsten Moment als unsichtbar. Dabei hat er sich einfach nur umgedreht oder geduckt und das Gefieder „verschmilzt“ sozusagen optisch mit der Umgebung.

Foto: NABU Büttelborn [ch]
Foto: NABU Büttelborn [ch]

Auch die Verteidigungsstrategie der Kiebitze gegen Gefahr aus der Luft war immer wieder beeindruckend zu sehen. Sobald sich Rabenkrähen oder Weihen genähert haben, sind die Männchen aufgeflogen um die Fremdlinge zu attackieren oder abzulenken. Dabei zeigten sie auch ihre hervorragenden Flugkünste. Das Brüten mit vielen weiteren Kiebitzen hilft den Vögeln enorm bei der Verteidigung. Wenn viele zusammen brüten, lassen sich große Greifvögel oder die cleveren Rabenkrähen in Gemeinschaftsarbeit besser vertreiben. Luftfeinde haben bei größeren Kiebitzkolonien kaum Chancen erfolgreich Eier oder junge Kiebitze zu erbeuten.

 

Beeindruckt und erfreut über diese wertvolle Naturschutzarbeit unserer Nachbarn, motivierte es alle Beteiligten den Naturschutz vor Ort und auch an anderen Stellen zu unterstützen.

Herzlichen Dank an Barbara und Johannes! [ch 05/ 22]